Der letzte Tag. Die Nacht war schon seltsam unruhig, was zum einen natürlich an dem Höllenlärm draußen lag (in dieser Nacht war der Straßenlärm einfach unglaublich – je später die Nacht umso mehr wurde gehupt, mit den Reifen gequietscht rumgebrüllt. Dazu die Einsatzsirenen…), zum anderen aber bestimmt auch schon am Reisefieber. Ein komisches Gefühl beim Aufwachen, blöd, dass wir schon wieder hier weg müssen aber auch schön, dass wir wieder nach Hause kommen. Die Kinder, auch wenn sie nicht mehr hier bei uns wohnen, die Tiere und das Haus fehlen uns doch.
Aber den heutigen Tag wollen wir noch einmal hier genießen und genehmigen uns zum Frühstück ein letztes Mal Pancakes mit Ahornsirup. Danach gammeln wir noch eine Zeit lang im Hotelzimmer rum. Wir versuchen noch eine erste Tendenz bei den Wahlergebnissen zu erhaschen, räumen dann aber schließlich doch unser Gepäck ins Auto (mein Gott, ist das VIEL!!!), rangieren das Auto aus der zwischenzeitlich zugeparkten Tiefgarage und verlassen die Ohio-Street Richtung See.
Die Sonne scheint, es ist ein herrlicher Tag. Bei unserer Stadtrundfahrt am ersten Tag in Chicago hatte ich gesehen, dass rund um das Planetarium und die Museen eine schöne Parkanlage direkt am See mit herrlichem Blick auf die Skyline liegt. Dort wollen wir unsere letzten Stunden in Chicago verbringen. Vor der Fahrt dorthin hatte ich aufgrund der Beobachtungen der letzten Tage schon ein wenig Respekt. In Chicago herrschen nämliche raue Sitten im Straßenverkehr, da wird wirklich gerne und oft gehupt. Da sonntags aber auch in Chicago weniger Autoverkehr als an Wochentagen ist, habe ich die Fahrt doch gut gemeistert. Am
Seeufer gönnen wir uns noch einen Stellplatz in einem Parkhaus für 16 Dollar für 4 Stunden und starten dann unseren Spaziergang.
Habe ich schon erwähnt, dass es ein herrlicher Tag ist? Die Stadt und der See zeigen sich mit blauem Himmel über blauem Wasser bei leichtem Wind von ihrer besten Seite. Viele Spaziergänger, Walker, Jogger, Radfahrer und Segway-Fahrer sind unterwegs. Lustige Dinger sind diese Segways, obwohl ich mich bestimmt nie trauen würde damit zu fahren. ICH würde bestimmt umkippe oder irgendwo reinrasseln – bevorzugt dort, wo`s weh tut.
Wir schlendern am Segelboothafen vorbei zum Adler Planetarium und können uns nicht satt sehen an dem Ausblick, den wir von dort von der Stadt haben. Die Gegend um das Planetarium und das Shed-Aquarium ist übrigens ein beliebter Tummelplatz für Fotografen, bevorzugt von Hochzeitsfotografen. Ich habe heute ein Brautpaar beobachtet, die sich beide bäuchlings ins Gras legen mussten. Hm, ob eine Hochzeitsfeier in einem grasbefleckten Kleid wirklich noch so viel Spaß macht?
Wir entschließen uns, eine Show im Planetarium anzusehen und lernen viel über Kollisionen im All. Die Show ist genauso wie die anschließenden Ausstellungen mit vielen interaktiven Exponaten, wirklich gut und wir verbringen einige Zeit dort. Draußen spazieren wir noch weiter zum Aquarium. Muss ich erwähnen, dass Ralf viele Fotos macht? Die Szenerie mit diesem herrlichen Sonnenschein lädt aber auch wirklich dazu ein. Chicago macht uns den Abschied nicht leicht.
Frühzeitig machen wir uns dann auf den Weg Richtung Autorückgabe und Flughafen. Wir haben im Mietvertrag vereinbart, dass wir den Wagen vollgetankt zurückgeben und Ralf macht mich gleich in der Stadt auf eine Tankstelle aufmerksam. Ich bin aber schon vorbei, hatte sie einfach nicht gesehen. Allerdings bin ich auch davon ausgegangen, dass man in der Nähe der Autorückgabe noch tanken kann. Wir sind ja schließlich nicht die Einzigen, die diese Aufgabe vor der Rückgabe noch haben.
Allerdings erscheint für mich viel zu plötzlich das Schild „Rental Car Return“ am Straßenrand. Und ist man erst mal in diese Richtung abgebogen, gibt es kein Entrinnen mehr. Urplötzlich stehe ich auf dem Riesengelände von Hertz mit Hunderten von Autos. Geschäftige Betriebsamkeit herrscht und mittendrin versuche ich das Problem zu lösen, dass dort keine Tankstelle zu sehen ist. Oder vielleicht doch? Links von uns sehe ich ein paar Zapfsäulen mit Autos davor. Juchhu, eine Tankstelle! Ich fahre hin und werde als erstes von einem Fahrer angehupt, weil ich von der falschen Seite rein gefahren bin. Er fordert mich auf, von der anderen Seite heranzufahren. Aber auch das gelingt mir nicht, weil ich von einem jungen Fahrer böse geschimpft werde.
OK, dann eben nicht. Wir beschließen, dann eben für das nicht aufgetankte Auto zu zahlen und fahren Richtung Rückgabestelle. Hektisch geht es auf dem ganzen Gelände zu, überall fahren Autos. Sehr schnell die Angestellten, die zur Waschanlage oder Tankstelle fahren, langsamer diejenigen, die wie wir ein Auto zurückbringen. Wir lassen uns in eine Reihe einweisen und ich schalte erleichtert den Motor aus. Geschafft! Wir fangen sofort an, den Wagen auszuräumen. Ja, eine Menge Gepäck! Dann kommt eine Mitarbeiterin und scannt unseren Wagen. Sie überprüft die Tankfüllung und moniert stirnrunzelnd, dass nicht vollgetankt ist. Wir erklären die Situation während ein landendes Flugzeug in etwa 20 Metern Höhe über uns hinwegrauscht. Tja, kein Problem, das kostet uns die Kleinigkeit von 120 Dollar. Sie bietet uns an, noch einmal loszufahren und zu tanken, was wir spontan annehmen, auch wenn mir davor graut, wieder hier wegzufahren. Als sie unsere Menge Gepäck sieht, die wir nun wieder einpacken müssen, macht sie uns aber das Angebot, nur den halben Tank zu berechnen. Dieses Angebot nehmen wir dankbar an. Zwar wäre das selbst tanken wahrscheinlich billiger gewesen, aber irgendwo muss Dummheit ja doch bestraft werden. Bei der nächsten Autoanmietung werden wir auf jeden Fall wieder die Option wählen, eine Tankfüllung gleich mitzukaufen und den Wagen leer wieder zurückzugeben.
Dann schleppen wir unser Gepäck in den Shuttlebus zum Flughafen, quetschen uns noch dazu und lassen uns zu Terminal 1 schaukeln. Wir sind natürlich wieder einmal viel zu früh dort, können aber doch gleich einchecken. Es gelingt uns sogar, unsere Mittelgangplätze gegen Fensterplätze einzutauschen. Unsere Platznummern sind 28 H und K, was uns bis zum Einsteigen darauf hoffen lässt, dass die Plätze tatsächlich nebeneinander liegen (Tun sie! Die Platznummern I und J werden wohl im Flugzeug nicht vergeben.)
Auf unserem Weg zur Sicherheitskontrolle werden wir gestoppt, weil Ralf zu viele Taschen bei sich führt. Er hat einen Rucksack, den Laptop und die Kameratasche. Diese wollten wir vor dem Einsteigen in meinen Rucksack, in dem noch Platz ist, stecken. Vorher schien uns nicht sinnvoll, da sie ja bei der Sicherheitskontrolle eh separat aufs Band gelegt werden müssen. Das ist aber kein Argument für die nette Dame, zwei Taschen dürfen pro Person mitgeführt werden. Wir packen also die Kamera in meinen Rucksack und dürfen dann weiter.
Bei der Sicherheitskontrolle packe ich die Tasche natürlich wieder aus…
Das Warten verläuft ereignislos. Ralf versucht vergeblich, ein offenes, kostenloses Netzwerk zu finden um die Wahlergebnisse in Deutschland herausfinden zu können und sich die Zeit mit dem PC vertreiben zu können. Einfach nichts zu machen, doof. Wir treten den Rückflug also ahnungslos an.
Der Himmel zieht sich derweil immer weiter zu. Hatten wir morgens noch strahlenden Sonnenschein, so sieht es jetzt nicht mehr einladend aus. Ich bin froh, unter Dach zu sein, hoffe dass es so bleibt und die angesagten Gewitter doch ausbleiben.
Unser Flugzeug startet mit einer kleinen Verspätung von 15 Minuten, allerdings erklärt uns der Kapitän, dass wir aufgrund starker Rückenwinde eine halbe Stunde früher als geplant landen werden. Das Wetter in München soll sonnig werden mit 20 Grad. Schön! Der Start ist noch völlig normal. Auffällig ist, dass unser Airbus 340/600 wesentlich leiser und vibrationsärmer läuft als die Boeing 767 vom Hinflug. Außerdem freuen wir uns, dass wir erstmals ein Flugzeug mit In-Seat-Entertainment erwischt haben.
Ungefähr 5 Minuten nach dem Start wird es jedoch ungemütlich. Das Flugzeug schaukelt, ruckelt und schüttelt. Zunächst noch nicht so schlimm, aber mit der Zeit wird es immer schlimmer. Sogar die Flugbegleiter bleiben angeschnallt sitzen und mir wird angst und bange. Gottseidank haben Ralf und ich Plätze nebeneinander und ich muss nach seiner Hand greifen. Er versucht mir Mut zu machen, aber ich kann nur noch die Augen schließen und mich selbst zur Ruhe zwingen. Schreien oder heulen hätte wohl eher wenig genutzt. Ja, wir fliegen in einer Gewitterfront wie man beim Blick durchs Fenster unschwer erkennen kann. Ralf beobachtet die Blitze, die sich meistens unterhalb von uns entladen. Manchmal gelingt es den Piloten aber nicht, das Flugzeug am Gewitter vorbeizusteuern und dann sind die Blitze eben neben oder über uns. Ja, angeblich sind Flugzeuge nicht von Blitzen gefährdet, sind die Systeme darauf ausgelegt, aber der Air-France-Airbus ist auch während eines Gewitters abgestürzt.
Nach längerer Zeit meldet sich der Kapitän noch einmal über Lautsprecher und entschuldigt sich für den unruhigen Flug. Er hoffe aber, dass wir in etwa einer Viertelstunde durch die Gewitterfront durch sind. Das ist dann tatsächlich auch der Fall und der übrige Flug verläuft dafür umso ruhiger. Der Airbus ist wirklich ein sehr angenehmes Flugzeug.
Der neunstündige Flug vergeht erstaunlich schnell. Ein wenig können wir sogar schlafen und ich bin ganz erstaunt, als für das Frühstück wieder die Lichter im Flugzeug angehen. Es gibt eine Kleinigkeit zu essen und um 12 Uhr landen wir in München. Passkontrolle, Gepäckausgabe und nach einer halben Stunde marschieren wir durch die menschenleere Zollkontrolle. Glück für zwei Mitreisende, die in den USA kräftig eingekauft haben und, da sie keine Ahnung von Zollfreigrenzen hatten, vorsichtshalber alle Preisschilder abgeschnitten haben.
Jetzt müssen wir noch mit der S-Bahn zu Ralfs Firma fahren um dann endlich nach Hause zu kommen. Mit dem Gepäckwagen gelingt der Gepäcktransport bis zur Bahn noch recht unkompliziert. Spätestens am Leuchtenbergring aber, wo wir die vier Riesen-Taschen und –Koffer zuerst die Treppe am Bahnhof runter und später an der Straße wieder rauf schleppen müssen, beschließen wir, uns beim nächsten Mal wieder einen netten Mitmenschen zu suchen, der uns zum Flughafen fährt und wieder abholt.
Um 3 Uhr sind wir dann endlich zu Hause. Müde, abgekämpft, aber glücklich. Wir hatten einen schönen Urlaub, haben viel Abstand gewonnen. Jetzt sind wir aber doch froh, wieder hier zu sein. Die Katzen freuen sich, dass wir wieder da sind. Sogar Nala, die sonst oft erst nach zwei Tagen kommt, wenn wir weg waren, ist nach kurzer Zeit da und begrüßt uns. Und Anka freut sich natürlich besonders, als wir sie in der Hundepension abholen. Auch wenn es ihr dort gut gefallen hat, nachdem sie sich erst einmal eingelebt hatte.
Und jetzt würde ich gerne einen tollen Schluss hierher schreiben, aber mir fällt keiner ein. Eigentlich bin ich nämlich noch mitten drin.