Tag 15: Chicago

Jutta ist müde und satt und deshalb obliegt es heute mir, den letzten Bericht in den USA zu schreiben. 🙂

Heute gönnten wir uns einen ruhigen Tag ohne Programm und Ziel und schliefen erst einmal gemütlich aus. Während Jutta dann im Bad zugange war, schaute ich mit einem Becher Kaffee aus der zimmereigenen Kaffeemaschine (warum gibt es so was nicht in deutschen Hotels?) nach, was so in der Welt passiert ist, welche Mails eingetroffen sind, ob unser Reisebericht kommentiert wurde und wie das Wetter heute so werden soll. Na Toll – Ab Mittag „Shower“ angekündigt. Und dabei hatten wir Hoffnung, dass sich die Tendenz doch noch ein wenig ändert. Egal – es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung, machen wir einfach das Beste aus dem Tag.

Nachdem wir die letzten Tage Pancake und French Toast-Orgien mit viel (und noch viiieeel mehr!) Ahornsirup gefeiert haben, beschlossen wir heute mal wieder vernünftig Eiweiß zu uns zu nehmen und gönnten uns im Lokal in dem Hotel mal wieder Scrambled Eggs. Ich muss ja zugeben, dass es mir in Deutschland wieder schwer fallen wird in die gewohnten Essensumstände zurück zu fallen – aber ich habe den Eindruck, dass die bis zu 3mal täglichen warmen Mahlzeiten (Wenn man Burger als Mahlzeit mit zählt 😉 ) sich doch ein wenig oberhalb meines Gürtels bemerkbar machen.

Wohl gestärkt ging es raus aus dem Hotel. Zwischenzeitlich hatten wir uns überlegt, einfach mal eine Runde um die Loop zu machen, dass ist die Hochbahnstrecke, die den Innenstadtbereich von Chicago umrundet. Laut einem unserer Reiseführer ist das etwas, was man bei einem Chicagobesuch unbedingt gemacht haben soll, und so war es doch eine spannende Aufgabe für zwei fremde Landeier in der großen Stadt. Wohlgemut machten wir uns auf dem Weg die Clark Street in Richtung Innenstadt. Durch die Bustour gestern, kannten wir schon die verschiedenen Ecken und so waren wir nicht mehr ganz so orientierungslos wie am ersten Tag, als uns die Stadt mit allem ihrem Gewimmel, die vielen Menschen und den vielen Straßen schon ein wenig verwirrt hatte. Manche Stelle kannten wir nun schon aus der Bootsicht, der Bussicht und jetzt kam auch noch die Fußgängerperspektive dazu.

Es war schon interessant, welche Details einem noch auffallen können, wenn man zu Fuß unterwegs ist …

Nach einer recht kurzen Zeit (haben wir schon mal erwähnt, dass das Hotel einfach genial liegt? 🙂 ), erreichten wir dann schon die Loop. Wohlgemut gingen wir auf eine der Treppen zur Hochbahn, bei der Jutta dann sogleich das Schild „Exit only!“ entdeckte. Etwas verwirrt standen wir herum, wurden aber sogleich von einem freundlichen Passanten angesprochen, ob er uns denn helfen könnte, der uns dann auch gleich den Weg zum offiziellen Eingang zeigte.

Na toll, da stand ein Schild, dass irgendeinen Schienenersatzverkehr für die „Blue Line“ ankündigte. Für so was muss ich doch nicht über den großen Teich fliegen, dass kann ich auch daheim mit dem MVV haben. Während wir noch überlegten, was das für unsere Pläne zu bedeuten hat, sprach uns ein Bediensteter des städtischen Transportunternehmens CTA an. Wir erklärten unser Vorhaben eine Runde um die Loop zu machen und wurden sodann aufgeklärt, dass dafür die „Pink Line“ das beste wäre. Prima! Die Blaue Linie kann uns also egal sein. Wohlgemut ging es sodann zu den Fahrkartenautomaten.

Oha! Was hat das alles zu bedeuten was da steht? Transit Card? Minimum Cash $2? Ein Transit $ 2,25 – Münz und Geldscheinschlitze und zusätzlich ein Schlitz für die „Transit Card“. Ich wünschte mir spontan das Münchner Tarifsystem mit seinen Zonenringen zurück. Aber auch hier kam ein Bediensteter und erklärte uns mit vielen Worten (von denen ich nur ungefähr 75% verstand, dass wir in den Schlitz einfach 5$ reinstecken sollen und dass das für uns beide reichen würde und das dann irgendwas mit den anderen 50 Cent passieren würde. Aha! – Nicht wesentlich klüger, aber nicht mehr ganz so hilflos schoben wir als den 5$-Schein in den Schlitz, drückten den grünen Okay-Knopf und bekamen eine Karte aus dem Automaten. Hmmm – wir sind zu zweit und haben nur eine Karte und zum Bahnsteig hin gibt es Drehkreuze bei denen die anderen Menschen ihre Karte rein steckten und dann reingehen können. Also wird das bei uns auch so gehen. Also dann – wer nicht wagt, der nicht gewinnt – also steckte ich die Karte in den Schlitz, ein grünes Licht leuchtete und ich konnte durchs Drehkreuz. Jutta steckte dieselbe Karte in den Schlitz und siehe da, sie kam auch hindurch.

Im Prinzip also ein eigentlich genial einfaches Prinzip. Egal wie weit man fährt, man zahlt einfach den Zugang zum Bahnsteig und muss sich nicht mit irgendwelchen Tarifzonen rum schlagen. Erfreut über diese uns neue Erkenntnis ging es dann die Treppe hinauf wo dann nicht mehr ganz frische graue Züge heran ratterten und eine Automatenstimme in einfachen und deutlichen Englisch erläuterte welche Farbe der aktuelle Zug hat und wo er denn hin fährt. Nebenbei bekam ich dann auch mit, dass die Blaue Linie, die ab der Clark Street durch Busse ersetzt wird, die Flughafenlinie ist. Das war dann fast wie zu Hause in München, wo ich mich dann auch oft gefragt habe, wie es eigentlich den vielen internationalen Gästen so geht, die mit bayrischem (oder auch sächsischen) Zungenschlag per Lautsprecher gesagt bekommen, dass die Bahn Richtung Flughafen nicht fährt. Nur gut, dass für uns Rosa angesagt war!

Schnell noch ein paar Fotos von den Zügen und schon ging es mit dem klapperten Gefährt los. Spannend der Ausblick in die Hinterhöfe der glitzernden Hochhäuser. Dazu das Gefühl, das erste mal in einer amerikanischen Großstadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Für die anderen Fahrgäste (bis auf das andere offensichtliche – durch einen Stadtplan erkenntliche – Paar in der Bahn normaler Alltag, für uns aber ein großes Abenteuer.

Chicago-Loop von innen
Chicago-Loop von innen

Nach der 3. Rechtskurve der Bahn (es ist ja eine Loop – also eine Schleife), das große Erschrecken. Die Bahn biegt nach links ab. Moment mal – wir wollen doch wieder zurück zur Ausgangsstation. Auch die Gegend wirkt auf einmal anders. Die Häuser kleiner und schmutzig graurot. Wir hätten uns vielleicht doch vorher über den Streckenverlauf klug machen sollen. Jutta und mir wird es ein wenig mulmig und nach der 1. Stadion sind wir uns sicher – so kommen wir nie mehr zu Loop zurück. Nichts wie raus hier. Mutig wechseln wir die Straßenseite und mit dem Wissen, das wir vorher gewonnen haben, ist uns klar, dass wir die Transitkarte an dem Automaten wieder aufladen können und zahlen noch mal $ 4,50 um wieder in die andere Richtung zu fahren. Die Loop ist nämlich nicht nur eine Schleife, sondern fährt auch noch ein ganzes Stück nach draußen um dann zurück zu fahren. Während der Fahrt spricht mich dann noch ein freundlicher junger Mann an, ob wir zu Gast in Chicago sind, und nachdem ich dies bejahte, gab er mir den Tipp, dass heute einige Museen ohne Eintritt zu besuchen sind. Ich bedanke mich recht herzlich, auch wenn für heute kein Museumsbesuch geplant ist.

Straßenszene an der Loop - und wieder warte ich auf das Bluesmobil
Straßenszene an der Loop – und wieder warte ich auf das Bluesmobil

Um unseren Adrenalinspiegel wieder etwas runter zu bekommen machen wir uns nach der Fahrt auf den Weg zu der Popcornstelle, wo wir von einem freundlichen Verkäufer (heute sind wohl alle Menschen extra freundlich) zwei kleine Tüten mit gelben Popcorn bekommen. Mit diesen begeben wir uns umgehend zu dem Milleniumpark, der von hier aus auch schnell zu Fuß zu erreichen ist, denn meine Kamera hat einen neuen Akku und ich will das Cloud Gate (Die Bohne) unbedingt noch mal fotografieren. Im Park stellen wir fest, dass wir gestern großes Glück hatten. Heute ist der halbe Park gesperrt, da für eine Wohltätigkeitsveranstaltung viele Zelte für ein Gourmetessen aufgebaut wurden und für die man Eintrittskarten benötigt. Der Weg zur Bohne ist frei und Jutta fällt sofort ein kräftig geformtes Mädchen auf, dass ein Schild mit „Free Hugs“ – also der Möglichkeit hinzugehen und kostenlos umarmt zu werden – in der Hand hält. Ich hätte die Chance ja gerne genutzt, traue mich aber dann doch nicht so richtig. Frauen können da manchmal ein wenig eigen sein, wenn der Ehemann fremde Mädchen umarmt 🙂

Kostenlose Umarmungen
Kostenlose Umarmungen
"The Bean"
“The Bean”
Kunst mit Kunst
Kunst mit Kunst

Nachdem ich dann fotografiert habe, wie Jutta und ich uns küssen und dies in der Bohne gespiegelt wird, setzen wir uns mit dem Popkorn auf eine Bank und betrachten das Treiben rund um das Cloud Gate. Ein Hochzeitspaar wird in dem Kunstwerk fotografiert, ein Maler neben uns malt das Treiben um die Bohne und es macht einfach Spaß mit wie viel Freude die Menschen dieses Stück Kunst annehmen und damit experimentieren. Das Popkorn selbst ist übrigens auch eine spannende Angelegenheit: Die gelben Teile triefen vor Butter und schmecken nach Knoblauch und Zwiebel. In derselben Tüte gibt es dann auch braunes Karamellpopkorn. Wir teilen dann auf. Ich esse die gelben und Jutta die braunen Teile. So lässt es sich dann auch genießen. Auch wenn Jutta danach feststellte, dass sie fürs erste genug von Popkorn hat. An einer anderen Stelle im Park sind zwei LCD-Skulpturen, „The Crown Fountain“ aufgebaut, in der die Gesichter verschiedener Einwohner von Chicago projiziert sind, und bei denen immer wieder aus dem Mund Fontainen Wasser spucken. Zwischen den beiden Skulpturen ist ein Wasserbecken, das von Jung und alt fleißig genutzt wird barfuss darin rum zu laufen.

The Crown Fountain
The Crown Fountain

Wir lassen uns dann noch eine Zeitlang durch die Hochhausschluchten treiben bis sich unser Magen meldet und wir in das große Lokal mit dem goldenen M vor unserem Hotel einkehren um im großem Rock N Roll McDonald’s l mal wieder die gewohnten Fleischklöpse in Labberbrötchen zu essen. Erstaunlich: Hier finden wir eine komplette Hochzeitsgesellschaft, die Braut mit den Brautjungfern verspeist schon genüsslich die schottischen Spezialitäten, während der Bräutigam noch ansteht um seine Speisen zu erlangen. Wir suchen uns einen Fensterplatz im oberen Stockwerk und beobachten ein Kamerateam, das irgendwas mit den Passanten anstellt. Jetzt noch schnell zwei Chicago-Souvenir-T-Shirts im Hard-Rock-Cafe eingekauft und dann geht es zurück ins Hotel um sich kurz frisch zu machen.

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Hochzeitsfoto im Trubel
Hochzeitsfoto im Trubel
Picasso
Picasso
Mittagspause beim Restaurant zum goldenen M
Mittagspause beim Restaurant zum goldenen M
Mc Donnalds-Kunst
Mc Donnalds-Kunst

Da es trotz Vorhersage immer noch nicht regnet, beschließen wir nochmals die Magnificent Mile zu begehen. Unheimliche Menschenmassen bewegen sich in beide Richtungen und wir lassen uns einfach mit treiben, hier ein paar Straßenmusiker (z.B. zwei Trommler, die aus Plastikeimern die unglaublichsten Klänge zaubern), dort ein Pantomime, voll gepackte Einkaufstaschenträger, Kutschen, Bettler, Touristen mit Stadtplänen … hier tobt der Bär und es macht einfach Spaß das alles auf sich einwirken zu lassen. Am John Hancock Observatory spielt diesmal eine Bluesband, und wir stehen mit vielen anderen Menschen dabei, wippen mit den Füßen und atmen Großstadtatmosphäre.

Hochzeitsfoto im Trubel
Hochzeitsfoto im Trubel
Menschen, Menschen, Menschen
Menschen, Menschen, Menschen
Straßentrommler
Straßentrommler

Nichtsdestotrotz – Morgen geht der Flieger, und wir müssen unsere vielen Einkäufe und die Schmutzwäsche in handliche 23-Kilo Koffer packen. Also zurück ins Hotel und fleißig packen. Nur gut, dass wir daheim eine kleine Kofferwage für unterwegs gekauft haben. So ist es für uns einfach, das Gepäck zu koordinieren und nach einer kleinen Irritation, weil wir unsere Navi-Tante nicht mehr gefunden haben und wir deswegen alles noch mal auspacken mussten (bis sie dann in der Seitentasche der neu gekauften Tasche auftauchte), ging es dann zum letzten Abendessen in Chicago Downtown. Nachdem uns die vielen Schickimicki-Lokale des Umkreises nicht gefallen haben, landeten wir im Hotelrestaurant, in dem wir dann auch die Spezialität Chicagos, die Deep Dish Pizza, probierten. Puuuuh – so ein kleines Teil, das dann aber soooooo satt macht. Das Lokal war leider recht leer, und im Hintergrund sprach in einem der vielen Fernsehgeräte, Barack Obama. Die beiden jungen Bedienungen hörten gebannt zu, und Jutta und ich fragten uns, ob junge Menschen wohl auch so interessiert wären, wenn bei uns Frau Merkel oder Herr Köhler eine ihrer Reden halten würde.

Wohl gesättigt warfen wir noch einen kurzen Blick in die Bluesbar um die Ecke, stellten da aber fest, dass wir wohl zu früh sind, weil die Band noch aufbaute und kaum ein Gast drinnen war, so dass wir uns wieder „nach Hause“ bewegten um noch diesen Bericht zuschreiben und uns Online einzuchecken. Nach einigen Kämpfen mit dem Computer in der Lobby konnten wir die Boardingpässe dann ausdrucken – Glück gehabt – wir hätten unsere Sitze vorher reservieren sollen, denn bis auf vier Plätze waren keine Nachbarsitze mehr zu bekommen. So haben wir zwar Mittelplätze, aber dürfen wenigsten Händchen halten … 🙂

Schade – der letzte reine Urlaubstag geht jetzt zu Ende. Draußen hört man die Feiernden und die Stadtgeräusche und morgen um diese Zeit sind wir schon in der Luft und lassen die Küste Amerikas hinter uns.

Trotzdem freuen wir uns auch wieder darauf, uns auf Deutsch zu verständigen unsere Tiere um uns zu haben und die beiden Jungs wieder zu sehen. Aber eines ist klar, die Great Lakes und Chicago haben uns nicht zum letzten Mal gesehen.

Es tat gut, den Sorgen der letzten Monate ein wenig Abstand zu geben und einfach mal was total anderes zu erleben. Die großartigen Landschaften Amerikas und die offene, herzliche Art der Menschen hier, haben sehr geholfen Luft zu holen und ich hoffe, die Kraft, die wir hier tanken konnten, hält noch ein paar Tage an bis uns der Alltag wieder eingeholt hat.

Nach dem Flug wird es noch einen letzten Bericht der letzten Ereignisse geben und wir planen noch ein Reisefazit – was gut war, und was wir, mit dem jetzigen Wissen, an der Tour anders machen würden, für den Fall, dass jemand aufgrund der Reisebeschreibungen auch Lust verspürt große Städte und große Seen zu erleben.