Der Abschied von Gettysburg und seinem Motel 6 fiel heute Morgen nicht schwer, obwohl die Nacht doch recht ruhig war. Gegen 6 Uhr musste der Zimmernachbar dann aber niesen und weckte damit das ganze Stockwerk auf – zumindest aber uns. Da kein Frühstück im Zimmerpreis eingeschlossen war, sind wir dann erst einmal zum Frühstücken ins Restaurant gefahren. Unser erstes echt amerikanisches Frühstück also mit gebratenen Eiern, Schinken, Bratkartoffeln und Toast bzw. Pancakes. Dazu echten gebrühten Kaffee – ein richtig guter Start in den Tag.
Das Wetter war klar und kühl, das Auto wieder rundum beschlagen. Wir hatten sogar den Eindruck, es könnte leicht angefroren sein..
Die Fahrt führte uns zuerst 100 km über freies Land. In einem der vielen kleinen Orte auf dem Weg wagten wir unseren ersten Tankversuch, der aber (natürlich) bestens funktionierte. Das Gebirge, das die ganze Zeit irgendwo im Hintergrund zu sehen war, tauchte dann plötzlich vor uns auch und wir fuhren eine ganze Zeit lang durch ein Gebirge, das wir als Appalachen identifizierten. Die Straße war sehr gut ausgebaut, wenn auch lustig gewellt und gekippt, mit sehr langen, steilen Abfahrten. Ich hoffte immer, dass die Trucks, die sich teilweise einen Teufel um die Geschwindigkeitsbegrenzungen scherten, wussten, was sie ihre Bremsen zumuten konnten.
Die Straße war übrigens überzogen mit Straßenbauarbeiten. Hierbei wird kilometerlang die rechte Fahrspur mit Pylonen abgesperrt ohne dass ein einziger Bauarbeiter zu sehen ist. Irgendwo am Anfang oder am Ende dieser Absperrung sieht man dann endlich ein paar Arbeiter. Diese sind absolut cool. Der Verkehr, der ja sonst meiner Meinung nach extrem in der Geschwindigkeit gebremst wird (auf dieser Straße 65 Meilen pro Stunde), fließt in den Baustellen mit 55 Meilen weiter, auch wenn etwa ein Meter vom fließenden Verkehr die Arbeiter zugange sind. Die Autos werden keines Blickes gewürdigt. Ich will nicht wissen, wie da die Unfallzahlen aussehen.
Genauso wenig will ich Unfallzahlen von LKWs, deren Bremsen in den immer noch langen Abfahrten auf dieser Autobahn versagen, wissen. Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass ich die einzige Blöde bin, die sich an vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzungen hält. Ich werde laufend überholt.
Von Pittsburgh wissen wir nicht allzu viel. Dort angekommen finde ich einen Parkplatz in einem Parkhaus ganz nah am Fluss. Wir bummeln durch den Komplex der staion square, der ein stillgelegtes Bahnwerk ist und kaufen uns unser erstes Eis in den USA. Ich begnüge mich mit einer Sorte, Strawberry-Cheesecake, die ich in einem Becher bestelle. Ralf kann sich nicht entscheiden und bestellt zwei Sorten in der Waffel. Der Riesenberg Eis war wirklich kaum unfallfrei zu bewältigen, aber Ralf hat sich tatsächlich nur ein ganz kleines bisschen eingesaut. Aber lecker war das Eis auf jeden Fall.
Danach fahren wir mit der Zahnradbahn auf den Mount Washington und genießen den großartigen Blick auf die Skyline von Pittsburgh. Entlang der Kante dieses Berges sind verschiedene Aussichtsplattformen gebaut, die wir alle besuchen. Dabei bewundern wir auch die Häuser, die dort stehen. Klar, ein paar hässliche Hochhäuser sind auch dabei, aber hauptsächlich handelt sich um kleine schnuckelige Einfamilienhäuser. Der Blick auf die Stadt ist wirklich einmalig schön, aber der Lärm der Stadt klingt schrecklich laut nach oben. Nein, dort wollte ich nicht wohnen und deshalb rufen wir auch nicht bei der Immobilienvermittlung an, die dort zwei Häuser als „Rarität“ und „Gelegenheit“ verkauft.
Wieder unten angekommen gehen wir zu Fuß über eine der vielen Brücken nach Downtown. Es ist gerade Feierabendzeit und die Straßen sind voll von Menschen, die nach der Arbeit nach Hause möchten. Es ist laut und hektisch, die Busse stinken und stoßen heiße Auspuffwolken aus. Das ist die Atmosphäre, die man sich für eine amerikanische Großstadt vorstellt. Wir streifen durch die Straßen, lassen diese Atmosphäre auf uns einwirken und Ralf fotografiert fleißig.
Als wir endlich bei dem auffälligsten Hochhaus (das der Firma PPG Industries), das von vielen Türmchen gekrönt ist, angekommen sind, macht Ralf wieder die obligatorischen Fotos. Ich witzele noch über den Securitymann in Uniform, der ein paar Meter weit weg steht und herschaut. Wir überqueren den Platz zwischen den Hochhäusern des Komplexes und als wir schon wieder auf der Straße sind steht plötzlich der Securitymensch hinter uns. Wir mögen doch bitte für die Zukunft das Fotografieren des Gebäudes unterlassen… *schluck* So weit geht die Terrorangst, dass man als harmloser Tourist nicht ein paar harmlose Fotos eines stinknormalen Hochhauses machen darf? Ähm ja, geht’s noch?
Auch wenn die Bitte freundlich vorgetragen wurde und wir die Fotos noch nicht einmal löschen mussten (der Typ hat seinen Job also eindeutig schlecht gemacht – was sollte das dann?) ist mir die Stimmung verdorben.
Also machen wir uns auf den Rückweg und bahnen uns den Weg durch den Berufsverkehr zu unserem Motel – heute wieder ein Best Western. Dort angekommen ist alles wieder gut. Der Empfang ist freundlich, das Zimmer groß und schön und im Zimmerpreis sind drei freie Getränke an der Bar zwischen 5 und 7 Uhr eingeschlossen. Wir bringen unser Gepäck ins Zimmer und bestellen uns erst einmal ein Bier, nachdem wir uns dazu entschlossen hatten, nicht mehr mit dem Auto loszufahren.
Leider hat das chinesische Restaurant in der Nachbarschaft geschlossen, genauso wie die meisten Geschäfte in der Mall ein paar hundert Meter weiter. Wir kaufen im Kmart ein paar Sachen ein und essen in dem angeschlossenen Fast-Food-Lokal eine amerikanische Pizza für 5 Dollar, die überraschend lecker war. Naja, zusammen mit einem Getränk für jeden haben wir ungefähr 8,50 Dollar bezahlt, so dass der zusammen mit dem kostenlosen Bier und dem inkludierten Frühstück morgen früh der höhere Zimmerpreis fast schon wieder reingeholt ist. 😉
Leider war es bei unserer Rückkehr schon später als 7 Uhr, so dass die letzten beiden Freigetränke verfallen sind. 🙁 Aber wir werden es überleben.
Anmerkung von Ralf:
Ich kann es ja nicht lassen mit meinen Anmerkungen – und das, wo ich doch Jutta immer wieder drängele doch noch das Tagebuch zu schreiben, bevor uns die Augen zu fallen. Die Zeitumstellung macht einen doch noch zu schaffen. Wir haben jetzt 23:00 – das heißt in Deutschland ist jetzt 5:00 morgens. Ich bin eh erstaunt, dass wir tagsüber munter sind und nachts vernünftig schlafen können.
Etwas Wichtiges fehlt noch in dem Bericht: Ich habe in den höheren Gebirgslagen endlich die ersten bunten Bäume gesehen. Auch wenn der Wetterbericht ab Ende der Woche für unsere Reiseziele kälteres Wetter (teilweise mit Schauern) ankündigt, so versöhnt mich die Aussicht dann endlich den berühmten “Indian Summer” zu sehen damit, dass wir die Pullover und das Regenzeugs whl doch nicht umsonst eingepackt haben. Gut, dass ich so viele Speicherkarten für die Kamera mitgenommen habe.
Mein Eindruck von Pittsburgh: Es ist eine gemütliche Großstadt ohne viel Hektik und ich vermute mal für den Security-Menschen war ich das aufregendste, was er in seinem unterbezahlten Job die letzten Jahre erlebt hat: Ein bärtiger Ausländer mit Rucksack, der das heilige Bürogebäude von allen Seiten fotografiert hat. Dass es mir dabei um die Spiegelungen in der Glasfront und weniger um große Firmengeheimnisse ging konnte er ja nicht ahnen. 🙂
Sehr positiv an Pittsburgh ist mir aufgefallen, dass die Menschen selbst für amerikanische Verhältnisse sehr aufgeschlossen sind. Fast jeder mit dem wir es zu tun hatte, war stolz auf seine Stadt und freute sich, dass man sich als Besucher für ihre Heimat interessiert (der Wachmann jetzt mal ausgenommen – der war nur freundlich 🙂 ) Der Stadt selbst merkt man an, dass sie ziemlich mit der Wirtschaftskrise zu kämpfen hat. Ging es ihr ja schon vor dem großen Crash nicht wirklich gut. Und trotzdem wirkt zumindest die Innenstadt aufgeräumt und geschäftig. Klasse finde ich die Mischung zwischen alt und neu. Wenn Jutta nicht manchmal ein wenig genervt gewirkt hätte, wäre ich mit dem Fotografieren der vielen interessanten Ecken nie fertig geworden.
Achja – etwas ganz wichtiges habe ich mir für zukünftige USA-Besuche gemerkt: Hier ist wirklich alles größer. Selbst die Eiskugeln sind viermal so groß wie in Europa!
Unsere heutige Tour:
Chicago und die großen Seen auf einer größeren Karte anzeigen