Eigentlich dachten wir, dass dieser Tag absolut ereignislos sein wird, da wir eine extrem lange Fahrtstrecke von Cleveland nach Tawas am Lake Huron fahren wollten. 542 km, für die wir laut Google Maps fünfeinhalb Stunden brauchen werden. Das hörte sich nicht nach viel Spaß an, der heutige Bericht hätte ganz schön kurz ausfallen können. Hätte … 🙂
Das Frühstück im Best Western Cleveland hält eine Überraschung bereit. Frisch gebackene Waffeln im Self Service. Nach kurzem Studium der Bedienungsanleitung wagen wir den ersten Versuch und siehe da: es funktioniert! Die Waffeln, die mit Butter und Ahornsirup gegessen werden, schmecken richtig gut und füllen den Magen enorm. So gestärkt machen wir uns gegen 8.30 Uhr auf den Weg.
Wir lassen uns von der Navi-Tante das erste Stück am Eriesee entlang führen. Das Wetter ist wieder phantastisch und der See liegt wunderschön in der Morgensonne da. Entlang der Straße sind wieder diese hübschen amerikanischen Häuser gebaut und man sieht sogar ziemlich viele Fußgänger. Walker! Auf diese Idee kommen wir erst, als wir an einem Parkplatz am See anhalten und dort sehen, dass dort ein Rundkurs für Walker über ½ Meile ausgewiesen ist. Vielleicht sollte irgendwer den Walkern aber mal erklären, dass Sport erst dort anfängt, wo man den Körper auch richtig fordert. Dieses relaxte Spaziergangtempo wirkt zumindest auf mich nicht anstrengend.
Dafür ist aber der Ausblick auf den See wunderschön. Wellen schlagen an den Sandstrand, die Sonne scheint, ein ganz leichter Wind geht. Hach, Urlaub!
Zwei Stunden lang fahren wir diese schöne Straße entlang. Siedlungen mit Sims-Häusern in großen Gärten wechseln sich ab mit Elektrizitätswerken und Gewerbeparks. Danach, völlig ohne Übergang wieder Siedlung. Es ist – ich wiederhole mich – wie bei den Sims und Sim-City. (Und ich habe mich immer gewundert, wie unrealistisch es bei Sim City ist, dass die E-Werke und Industriegelände direkt neben Wohnsiedlungen liegen – es ist tatsächlich Realität!) Was allerdings sehr auffällig ist, sind die vielen „For Sale“-Schilder an den Häusern. Ich mag mich täuschen, aber in dieser Gegend waren bestimmt 10% aller Häuser zu verkaufen. Traurig. Vor vielen anderen Häusern stehen schicke Autos und Motorräder „For Sale“ und vor anderen stehen Haushaltsgegenstände oder Ständer mit Kleidung zum Verkauf. Zusammen mit den vielen leer stehenden Gewerbegebäuden lässt das schon nicht so schöne Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Lage dieser Region zu.
Irgendwann verlässt die Straße das Seeufer und wir fahren daher auf die Autobahn um zügig voranzukommen. Wir machen eine kurze Pause an einer Food Plaza (Die Bezeichnung für die Rastplätze auf dem Turnpike) und essen eine Kleinigkeit, dann geht es gleich weiter. Die Landschaft ist recht eintönig und sowohl Ralf als auch ich werden müde. Vor Langeweile fangen wir sogar an, die irgendwann als Snack gekauften Nüsse zu essen….
Dann stehen am Straßenrand große Schilder mit Werbung für „World`s largest Christmas Store“ in Frankenmuth. Den Namen dieses Örtchens, wo eingewanderte Bayern aus Franken ihre Kultur amerikanisch vermarkten, kenne ich aus diversen Reiseführern und wir entschließen uns spontan, diesen kleinen Umweg in unsere Route einzubauen.
Der Laden ist einfach gigantisch. Ein Riesenkomplex mit Riesenparkplätzen, alles amerikanisch weihnachtlich hergerichtet – und an 361 Tagen im Jahr geöffnet. Heute ist allerdings nicht wirklich viel Betrieb im Laden und so können wir in aller Ruhe bummeln, schauen, staunen und natürlich einkaufen. Ja, in Amerika ist alles viel größer, aber dieser Laden sprengt alle mir bekannten Dimensionen an Größe, Auswahl und Kitsch. Lichter, Musik, Kugeln, Schmuck, es gibt nichts, was es nicht gibt. Zu jedem Thema ist ein eigener Bereich eingerichtet. So gibt es kompletten Weihnachtsbaumschmuck zu allen möglichen Sportarten oder Kugeln der verschiedensten Themenbereiche. Seien es Footballmannschaften, Firmen aber auch die Armee sind Kugeln gewidmet. Eine riesige Auswahl an Hummel-Figuren ist vorrätig und natürlich gibt es Beleuchtung und Weihnachtsbäume in allen möglichen Größen und Farben. Und so schöne Bäume waren das! Wir haben ja seit Jahren einen Plastikbaum, aber gegen diese Prachtexemplare ist dieser absoluter Müll. Gott sei Dank sind wir gepäckmäßig extrem eingeschränkt, sonst hätte ich einen wunderschönen Baum für 279 Dollar gekauft. So ist es nur ein bisschen Baumschmuck aus der Kategorie „Candies“ geworden, der uns an unseren Urlaub erinnern wird.
An der Kasse werden wir wieder einmal als Ausländer identifiziert (warum bloß?) und die ältere Dame überrascht uns mit einigen deutschen Worten. Alle sind wieder sehr freundlich und gut gelaunt.
Downtown Frankenmuth durchqueren wir nur mit dem Auto, weil es uns nicht lohnend erscheint und die Zeit drängt. Schließlich haben wir eineinhalb Stunden im Weihnachtsparadies verbracht.
Die restliche Fahrt verläuft wieder unspektakulär und zieht sich gegen Ende doch sehr in die Länge. Meine Aufmerksamkeit lässt nach und Ralf muss mich mehrere Male auf Tempolimits aufmerksam machen. Ich hatte die Schilder einfach nicht mehr wahrgenommen.
So sind wir auch froh, gegen 18.30 Uhr endlich im Days Inn in Tawas anzukommen. Das Zimmer ist schön mit einem riesigen Kingsize-Bett. Wir richten uns im Zimmer ein, entspannen kurz und machen uns auf die Suche nach einem Restaurant.
Tatsächlich werden wir fündig mit einem von außen etwas schäbig wirkenden Lokal „Crystal Bay“, in dem wir das bisher besten Essen auf unserer Reise essen. Der nette Kellner empfiehlt uns die Spezialitäten des Hauses, frischen Fisch aus dem See, gebraten in gesundem Öl (ja, natürlich war das Essen fett – wir sind schließlich in Amerika!). Dazu gab es frisch gemachten Kartoffelbrei und einen frischen Salat mit hausgemachtem Dressing. Es war richtig gut. Zum Nachtisch genehmigten wir uns noch Kuchen, der ausgezeichnet war. Der Kuchen war von der Mutter des Kellners bzw. des Besitzers gebacken und wir waren voll des Lobes dafür. Shawn, wie unser Gastgeber hieß, freute sich total und zeigte uns noch eine Flasche vorzüglichen Weines aus Germany. Natürlich war es ein Riesling von der Mosel und Shawn ist begeistert als er hörte, dass ich von der Mosel stamme. Wir machen noch ein paar Fotos und Shawn schießt noch ein Foto von Ralf und mir, wofür er extra noch ein LED-Teelicht auf den Tisch stellt und die Beleuchtung runter dimmt Ein rundum gelungener Abend.
So, und das war mein kurzer Bericht von einem ereignislosen reinen Fahrttag.
Anmerkung von Ralf:
Und wieder einmal ist Juttas Bericht nicht mehr viel (außer ein paar der hunderten Bilder und der Route des Tages) nicht mehr hinzuzufügen.
Eine kleine Anmerkung noch für diejenigen, die diese Tour auch einmal machen wollen: Von Cleveland aus, sollte man auf jeden Fall nicht gleich die I80 nehmen sondern ein Stück die OH6 am Ufer entlang fahren. Es lohnt sich auf jeden Fall. Die Strecke nach Norden ist dann, wenn man wie wir keinen Stopp in Detroit machen will (Irgendwann hat man erst einmal genug Großstädte besucht 🙂 ), eine ziemliche Tortur. Deswegen lohnt sich auf jeden Fall ein Zwischenstopp in Frankenmuth um mal Luft zu holen.
Tawas war eigentlich eine Verlegenheitslösung, weil über 500 km an einem Tag im gemütlichen Highway-Tempo schon an der Grenze des machbaren ist. Aber ganz ehrlich: Es ist ein netter Geheimtipp (zumindest für uns Deutschen). Tawas ist ein netter kleiner Urlaubsort und wer in Tawas ist und nicht das Chrystal Bay besucht um sich dort mit dem (meiner Meinung nach 🙂 ) besten Essen des mittleren Westens verwöhnen zu lassen (und das zu sehr zivilen Preisen!), ist selbst schuld. Ich habe noch nie in meinem Leben einen derart leckeren Fisch gegessen. Und die hausgemachten mashed potatoes sind ein Traum und nicht mit dem zu vergleichen, was man sonst in den Staaten serviert bekommt.
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