Heute geht es wieder in eine Großstadt – Milwaukee. Der Reiseführer preist die Stadt als Hauptstadt der Deutschen in Amerika an mit einer liebevoll restaurierten Altstadt und einem 2,5 km langen Riverwalk mit Restaurants und Bars, also dem vollen Leben. Ich freue mich drauf.
Nach einer Nacht, in der wir nicht so besonders gut geschlafen haben, weil die Temperatur in unserem Zimmer trotz laufender Klimaanlage und Deckenventilator kaum erträglich war, machten wir morgens erst einmal einen Spaziergang am See. Ein wunderschöner Morgen zieht herauf.
Gegen 10 Uhr machen wir uns auf den Weg. Wir fahren nicht den schnellsten Weg über die Autobahn, sondern gemütlich und schön am See entlang. Trotzdem ist die Fahrt recht ereignislos und auch die Umgebung reißt mich nicht zu Begeisterungsstürmen hin.
Milwaukee empfängt uns mit dem schon bekannten Großstadt-Autoverkehr, der aber trotzdem leicht zu meistern ist. Wir parken in einem Parkhaus gegenüber unserem Hotel, das überraschend preisgünstig ist. Für 24 Stunden beträgt der Preis lediglich 12 Dollar. Dann machen wir uns auf den Weg, die Stadt zu erkunden. Hm, ja, ganz nett. Verschiedene Gegenden sind liebevoll „historisch“ hergerichtet, dazwischen aber sind immer wieder Blocks, die ziemlich erbärmlich ausschauen und wo man froh ist, dass es Tag und hell ist. Ganz lustig ist die kurze „deutsche“ Straßenzeile mit Usingers Sausage, dem Hofbrau-Haus und Mader`s Restaurant, das in unserem Vistapoint-Reiseführer auch empfohlen ist wegen seiner urigen Atmosphäre und seiner delikaten Kost.
Ja, die Stadt ist ganz nett, aber wo um alles in der Welt sind die Menschen??? Es liegt alles wie ausgestorben da – wenig einladend. Nach einer guten Stunde haben wir dann auch schon das Wichtigste gesehen. Gut, man könnte noch eine Brauerei besichtigen, aber brauchen wir das wirklich? Ja, es gibt noch das Harley-Davidson-Museum, aber so große Motorradfans sind wir nun auch nicht.
Deshalb gönnen wir uns ein paar Stunden Pause in unserem Hotelzimmer. Das Best Western liegt zentral in der Innenstadt, wir haben einen schönen Blick aus dem Fenster. Wir schauen einen Eddy-Murphy-Film und verstehen sogar das Meiste vom Gesprochenen. Außerdem buchen wir das Zimmer für die letzten drei Übernachtungen in Chicago. Es wird wieder ein Best Western werden.
Gegen 7 Uhr machen wir uns auf den Weg zum Abendessen. Ralf möchte heute gern deutsch essen und wir gehen zum Maders. Jetzt, wo es dunkel wird, hat die Stadt einen ganz besonderen Charme. Klar, im Dunkeln sieht man die hässlichen Ecken ja auch nicht so. Ja, und es sind ein paar mehr Menschen auf den Straßen, aber die Lokale sind trotzdem viel zu leer.
Wir betreten das Mader`s und mir wird gleich klar, dass das Lokal eines der Teureren ist. Vornehm gekleidete Menschen sitzen an Tischen mit weißen Tischdecken und Stoffservietten, gepflegte Atmosphäre. (Ralf behauptet, er wäre ja gleich wieder raus gegangen, aber ich wäre vorangestürmt….) Das Lokal ist wirklich ziemlich originalgetreu eingerichtet, dunkle Holzdecke, schwere dunkle Tische und Stühle und rustikale Gemälde und Schnitzereien an der Wand. Ja, und dann sitzen wir da mit unseren Speisekarten und ich könnte heulen. Die Gerichte alles „typisch deutsch“, wie zum Beispiel Wiener Schnitzel mit Spätzle und Sauerkraut, Ungarisches Gulasch oder eine „Bavarian Plattler“ mit Usingers Würsten, Kassler, Sauerkraut und Knödel und kein Essen unter 23 Dollar. Aber jetzt sitzen wir und wir müssen da durch, verbuchen das ganze als lustige Erfahrung. Halt so was wie Disneyland.
Das Essen ist „interessant“. Mein Schnitzel ist noch das Leckerste. Die Spätzle sind trocken und das Sauerkraut so sauer, dass es mir alles zusammenzieht. Ralf hat weniger Glück. Seine Bratwurst wurde irgendwann mal gebraten und danach wohl im Dampfkocher wieder aufgewärmt, außerdem war sie, genauso wie die Knackwurst sehr eigenwillig gewürzt. Ich glaube, der Knödel (Anmerkung von Ralf: Mein erster Semmelkümmelknödel des Lebens!) hat ihm die meiste Selbstbeherrschung abverlangt zu essen. Aber immerhin hat er das Sauerkraut gegessen, sogar meine Portion noch zusätzlich. Für das halbe Schnitzel, das ich nicht mehr geschafft hatte, war er –glaube ich- ziemlich dankbar.
Soviel zum Essen. Ein eigenes Kapitel ist der Service. Ist das Essen nur gewollt deutsch, so ist der Service deutsch vom Feinsten. Unser Kellner zeichnet sich durch absolute Hochnäsigkeit und Arroganz aus, daneben durch Unaufmerksamkeit. Mein Wasser wird nur ein einziges Mal nachgefüllt, nach dem Essen sitzen wir ewig vor unseren Resten und auf die Rechnung dürfe wir dann noch einmal warten.
Der ganze Spaß kostet 60 Dollar und der Kellner wuwird mit einem Trinkgeld von lediglich 6 Dollar bestraft. Ich bin am Kochen! Ganz allgemein ist uns übrigens aufgefallen, dass der Service in den Lokalen und an den Hotelrezeptionen zwar deutlich besser als in Deutschland aber bei weitem nicht so gut und aufmerksam wie im Westen der USA ist. Unser Kulturschock nach unserer Rückkehr nach Hause wird also nicht ganz so extrem ausfallen.
Nach dieser Erfahrung wollen wir noch in eine Bar und eine Kleinigkeit trinken. Gar nicht so einfach. Entweder sind die Lokale, wie bereits geschrieben, leer oder das Publikum entspricht nicht unserem Stil. Zu Krawatten-Trägern und Kleines-Schwarzes-Trägerinnen wollen wir uns dann doch nicht setzen. Wir sind dann auf einen Irish Pub mit Livemusik gestoßen, wo wir an der Bar ein paar Bierchen und einen Cocktail trinken. Das ist schön und wir bekommen sogar zwei Biergläser der Samuel Adams-Brauerei, die ein Oktoberfest-Bier braut, das wir heute getrunken haben, geschenkt.
Ja, doch das hat für einen versöhnlichen Abschluss dieses seltsamen Abends geführt.
Ralfs Kommentar:
In der Tat – man fragt sich wo sich die 500.000 Einwohners von Milwaukee eigentlich rumtreiben. Selbst in Downtown Munising mit seinen 3500 Bewohner schien mehr los zu sein. So hat Milwaukee seine für einige Millionen Dollar aufgebauten Altstadtbereich mit dem Riverwalk (der wirklich schön ist) aber verglichen mit europäischen Innenstädten sind die Innenstadtbereiche von amerikanischen Großstädten wirklich tot. Nur im Einkaufszentrum schräg gegenüber des Hotels war ein wenig Leben zu finden.
Das Essen im Marder’s (mit Kapostroph sic!) war für deutsche Zungen wirklich eine kulinarische Herausforderung. Ich war neugierig, wie die deutsche Küche aus amerikanischer Sicht wirkt und so sind wir dann aufgrund meines Vorschlages dann in ein – aus Sicht der Einheimischen sehr exotischen – Marder’s gelandet. Die Einrichtung entspricht einer Mischung zwischen Ritterburg, Heidelberg, Hofbräuhaus und Wiener Kaffeehaus. Das einzige authentische war der muffelige Kellner. Wir scheinen da eh bei den Platzanweisern der Lokale in der Regel einen eher masochistischen Eindruck zu geben – sind die Bedienungen der Nachbartische in der Regel eher zuvorkommend und aufmerksam, so scheinen wir die langsamen Muffelköpfe beider Geschlechter anzuziehen. (Wobei die Bedienung heute morgen beim Frühstück sehr nett war – sie hat sogar über meine Witze gelacht 🙂 )
Nunja – wir Deutschen scheinen auf jeden Fall den Eindruck hinterlassen zu haben, dass wir das Essen sehr gerne extrem sauer und auf jeden Fall mit Kümmel gewürzt mögen. Wir sollten mal sowas wie ein kulinarisches Goetheinstitut gründen. Notwendig wäre es auf jeden Fall!
Unsere heutige Route:
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